Bericht: Projekttage Gewaltfreie Kommunikation an einer Grundschule bei Hannover
von Armin Torbecke
Fotos zum Projekt im Pressebericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung: hier und hier
Ist es möglich, an Schulen Gemeinschaftsgeist und Miteinander erfahrbar zu machen? Wie kann Empathiefähigkeit geübt werden? Und ist es möglich, Konfliktfähigkeit zu lernen? Unter anderem diese Fragen waren Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Projekts zu Gewaltfreier Kommunikation an einer Grundschule bei Hannover.
Ich freue mich berichten zu können, dass im September 2021 eine dreitägige Projektwoche zu Gewaltfreier Kommunikation an der Heinrich-Bokemeyer-Grundschule in Immensen bei Hannover stattgefunden hat.
Der Rahmen des Projekts
An der Projektwoche waren alle 85 Schülerinnen und Schüler, die LehrerInnen, die Nachmittagsbetreuungen und SchulsozialarbeiterInnen, die Schulleitung, Vertreterinnen des Schulelternrates und 11 ehrenamtliche TeamerInnen beteiligt. Diese TeamerInnen haben bei mir in den letzten Jahren an dem 5-teiligen GFK-Jahrestraining oder der Mediationsausbildung auf Basis der GFK teilgenommen.
Bereits einige Wochen vor der Projektwoche fand ein GFK-Training für die LehrerInnen und SchulsozialarbeiterInnen der Schule statt.
Ich arbeite seit über 20 Jahren regelmäßig zu GFK an Schulen und kann sagen, dass diese Projektetage sicherlich zu meinen schönsten Erfahrung in diesem Tätigkeitsfeld zählen. Es hat mich beeindruckt, wieviel Bereicherung die Gewaltfreie Kommunikation an einer Schule bewirken kann, wenn ihr -wie in den Projekttagen – viel Raum gegeben wird.
Die inspirierende Zusammenarbeit im Kreis der TeamerInnen war ein weiterer großer Faktor für das Gelingen des Projekts.
Das die Projekttage organisatorisch zustande kommen konnten, war u.a. der Initiative von Katja Hommel aus dem Schulelternrat und Birgit Rosenthal aus Hannover zu verdanken. Und natürlich war die Bereitschaft der Schulleitung, ibs. der Schulleiterin Frau Birgit Rieger, grundlegend für die Durchführung der Veranstaltung.
Finanziell wurde das Projekt vom Förderverein der Schule und von der Unternehmensberatung BearingPoint unterstützt. Kooperationspartner waren neben dem Bildungsträger KonfliktTransformation auch das Zentrum Gewaltfreie Kommunikation Hannover.
Die Projekttage
Die Schule in Immensen besteht aus 5 Klassen der Jahrgänge 1-4. Für die Projektwoche wurden die SchülerInnen der Klassen gemischt, so dass in der Projektwoche mit 5 altersübergreifenden Gruppen gearbeitet werden konnte. Jede der fünf Gruppen wurde von zwei (in einer Gruppe drei) TeamerInnen durch die Projekttage geführt. In jeder Gruppe waren zudem ein/e Lehrer/in sowie Personen aus der Nachmittagsbetreuung bzw. aus der Elternschaft beteiligt.
Die drei Tage waren inhaltlich aufgeteilt in 6 Themeneinheiten mit je 2,5 Stunden Dauer.
Die Überschriften der Themeneinheiten: 1) Das große Herz der Giraffe, 2) Was wir fühlen, 3) Was wir gerne hätten / die Bedürfnisse, 4) Zuhören und sich verstehen, 5) Konflikte lösen, 6) Giraffenklassen.
Das Curriculum für die Projektwoche habe ich erstellt. Es diente als Orientierung für die Durchführung der Themeneinheiten und wurde von den TeamerInnen ergänzt, abgewandelt und mit Leben gefüllt. Es beinhaltete Übungen, Spiele und Informationen zu den verschiedenen Themenaspekten der GFK. Zur Vorbereitung fanden mehrere Treffen der TeamerInnen statt, vor Ort oder/und per Zoom. Hier wurden Erfahrungen ausgetauscht und Materialien und Übungen vorbereitet. Auch ich war Teil einer Gruppe, habe während der Projekttage aber auch die anderen Gruppe besucht. Die Namen der TeamerInnen: Julia Maennel, Eva Breidenbach, Sabine Köhne, Mattias Wolf, Iris Arweiler, Jona Schenk, Bettina Wolpensinger, Birgit Rosenthal, Katja Hommel, Nele Stagneth.
Die erste Einheit am Montag morgen fand mit allen SchülerInnen und Erwachsenen in der Turnhalle statt. Hier wurde gemeinsam gesungen und den Kindern anhand eines Rollenspiels ein Einstieg in das Anliegen der Projekttage vermittelt. Im Rollenspiel wurde ein Streit zwischen SchülerInnen vorgespielt. Zunächst wurde ein für die Beteiligten nicht zufriedenstellender Verlauf gezeigt. Dann wurden Varianten gespielt, die durch die Berücksichtigung von GFK mehr Kontakt und neue Lösungsansätze ermöglichten. Nach dieser ersten gemeinsamen Einheit ging es in Klassenzimmern in den fünf Gruppen weiter.
Auch der Abschluß der Projekttage fand gemeinsam mit allen in der Turnhalle statt. Im Mittelpunkt standen hier Präsentationen aus den fünf Gruppen. Dies waren vor allem Konfliktlösungsbeispiele, mit denen sich die Gruppen in den drei Tagen beschäftigt hatten und die nun nochmal vorgespielt wurden. Auch Kollagen und Ergebnisse aus Kleingruppen wurden geteilt.
Erfahrungen und Reflektion
Es war sehr schön für mich zu sehen, dass sich die Schule im Rahmen der Projekttage auf die Gewaltfreie Kommunikation einlassen konnte und wieviel Qualität dies für den zwischenmenschlichen Kontakt, der ja auch Grundlage für das Miteinander-Lernen ist, bedeutet.
Bei den Schülerinnen und Schülern habe ich während der Tage viel Offenheit erlebt und die Atmosphäre in den Gruppen größtenteils als lebendig und konstruktiv.
Meines Erachtens war ein Hauptgrund für diese positive Resonanz der Kinder, dass sie wahrgenommen konnten, dass es wirklich um sie ging. Zwar hatten wir klare Vorstellen von den Übungen und Erfahrungen mit den Inhalten – und doch war das Wichtigste nicht unser Plan, sondern die Kinder mit ihren Interessen und Rückmeldungen. Ich denke, dass unser Anliegen, ihre Mitteilungen willkommen zu heißen, angekommen ist.
Das dies so umgesetzt werden konnte, lang meines Erachtens besonders an der harmonischen und sehr konstruktiven Zusammenarbeit der TeamerInnen, an ihrem Engagement und Mut. Um Projekttage auf diese Weise durchzuführen, braucht es viel Motivation und Erfahrung mit der Haltung der Gewaltfreien Kommunikation.
Ein wichtiger Teil der Zusammenarbeit im Team war auch die Selbstwahrnehmung und -mitteilung. Hierzu gehörte auch, Unsicherheiten anzusprechen. Dies führte zu Entspannung und Verbindung.
In Bezug auf die Durchführung der Themeneinheiten ist mir eindrücklich in Erinnerung, wieviel Freude Kinder dabei hatten, Gefühle darstellen. In Rollenspielen ist mir aufgefallen, wieviel Bereitschaft und Fähigkeit bei vielen Kindern vorhanden war, sich in andere hineinzuversetzen und Lösungsideen zu suchen, die für alle annehmbar sind.
Auch die altersgemischten Gruppen haben zu Miteinander beigetragen. An vielen Stellen haben wir beobachtet, dass die Größeren den Kleineren geholfen haben und das dies hilfreich für das Entstehen von Teamgeist, z. B. in Kleingruppen, war. Ich denke, dass die Erfahrung von „wir als Gruppe oder Team schaffen es gemeinsam“ für Kinder an Schulen sehr ermutigend sein kann.
Auch die Schulleiterin Frau Rieger betonte, dass sie froh ist, den Kinder durch die GFK an ihrer Schule Erlebnisse im konstruktiven Umgang mit Herausforderungen mit auf den Weg geben zu können.
In Bezug auf das Curriculum war wichtig, dass Inhalte konsequent erfahrungsorientiert eingebracht wurden.
Vom Abschluss der Tage ist mir nachdrücklich in Erinnerung, dass die Kinder uns teilweise gar nicht gehen lassen wollten und immer wieder fragten, wann wir wiederkommen und neue Angebote machen.
Persönlich möchte ich noch anmerken, dass es eine meiner Visionen bzw. großen Wünsche ist, dass TeilnehmerInnen meiner Aus- und Fortbildungen GFK und Mediation in die Gesellschaft einbringen und sich dabei vernetzten. Bei diesem Projekt war davon einiges erfüllt!
Zum Ausblick: Im Nachklang des Projekts ist ein StreitschlichterInnen-Programm an der Schule in Planung. Einige TeamerInnen bemühen sich zudem um die Finanzierung für ein freiwilliges GFK-Angeboten im Nachmittagsbereich.
Allen Beteiligten ein herzliches Dankeschön.
Zeitungsartikel HAZ vom 7.10.21 (auch mit Fotos): hier